Durch Fragen Suchprozesse und Denkbewegungen auslösen

«Du musst keine Angst haben, das wird alles ganz entspannt», sagte mir unlängst ein Kollege, als es um die Planung einer – aus meiner Sicht – anspruchsvollen Bergtour ging. «Du hast gut reden», dachte ich – und fühlte mich nicht gut. Irgendwie übergangen. Schließlich bekam ich – in Gedanken an die Tour – bereits ein flaues Gefühl in meiner Magengegend. Mein Bergkollege ist eigentlich gar kein Kollege, sondern ein langjähriger, guter Bergkamerad, mit dem mich viele Touren verbinden. Und viele anspruchsvolle Situationen, die wir gemeinsam gemeistert haben.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Menschen es gut meinen. Wir kennen das: Ob Freunde, Bekannte, Eltern oder Vorgesetzte, sie alle sind voll mit gut gemeinten Ratschlägen. Sie – und manchmal auch wir selber – sind immer wieder und gern schnell zur Stelle mit einem Tipp oder Hinweis dafür, was der andere tun, denken oder fühlen soll. Manchmal sind wir dankbar und wissen die Hinweise zu schätzen – vor allem, wenn wir danach gefragt haben. Oft aber hinterlassen Ratschläge ein schales Gefühl: «Der nimmt mich ja gar nicht ernst.» – «Wie ätzend: Die sagt mir, was ich tun soll, obwohl ich das gar nicht wissen wollte. Ich wollte einfach ein offenes Ohr.»

Freunde, Bekannte, Eltern und Vorgesetzte reagieren, wie sie es eben gelernt haben im Verlauf ihres Lebens. Sie sind keine Coaches – und das ist auch gut so. Als professionelle Systemische Coaches jedoch lernen wir, auf unser Gegenüber zu hören. Wie Seismografen stellen wir uns auf unser Vis-à-vis ein, öffnen unsere Augen und Ohren, um aufmerksam, fokussiert und wertschätzend zuzuhören. So gut zuhören, „dass den dümmsten Menschen die gescheitesten Gedanken“ kommen, wie Michael Ende es in seinem Buch Momo formulierte.

Die Devise heißt also:

Fragen statt Sagen

Das Grundwerkzeug eines jeden Coachings ist „Fragen stellen“ – ob eine Frage dann hilfreich ist, bestimmt der Klient. Fragen dienen einerseits dem Coach, Informationen zu gewinnen, andererseits stellen sie bereits eine erste Intervention dar. Fragen, die dem Klienten viele Möglichkeiten bieten, um für sich Lösungen zu finden, zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie

  • offen sind
  • Suchprozesse und Denkbewegungen auslösen
  • Unterschiede deutlich machen
  • verschiedene Perspektiven eröffnen und dadurch andere Sichtweisen erleichtern
  • vor allem auf das „Innen“ des Klienten fokussieren, d.h. danach fragen, was etwas für den Klienten „bedeutet“ . Woran z.B. kann der Klient erkennen, dass eine Coachingintervention für ihn die „richtige“ war?

Mit offene Fragen kann man Suchprozesse und Denkbewegungen auslösen. Sie funktionieren besser als geschlossene, die nur mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden können.

Zu den wichtigsten offenen Fragen zählen die folgenden „W-Fragen:

  • Wer?
  • Wann?
  • Wie?
  • Wo/Wohin?
  • Wem/Wen?
  • Was?
  • Wessen?
  • Inwiefern?
  • Welche (mit welchem Ziel, in welcher Form…)?
  • Woran?
  • Wie kommt es dazu?
  • Wann genau?

In dieser Liste der W-Fragen sind die Fragen nach den Ursachen (warum, weshalb, wieso) nicht enthalten. Bei diesen Fragen läuft der Klient nämlich Gefahr, die „wirklichen“ Ursachen herausfinden zu wollen (was aus systemischer Sicht nicht relevant ist). Zudem besteht die Gefahr, den Klient in eine Verteidigungshaltung hineinzudrängen, weil er sich durch diese Fragen möglicherweise angegriffen fühlt.

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