Zwei unterschiedliche Systeme zur Verhaltenssteuerung und die Messung durch somatische Marker

Der Mensch hat zwei Systeme zur Verhaltenssteuerung:

  • Den Neocortex (Großhirnrinde), den entwicklungsgeschichtlich jüngsten Teil des Gehirns
  • das emotionale Erfahrungsgedächtnis, verortet in sehr viel älteren Hirnteilen, vor allem im limbischen System.

Wie wirken diese beiden Systeme bei  der Entstehung von Verhalten zusammen?

Im Neocortex sind verortet:

  • Logisches Denken
  • Verbale Sprache
  • Ethische Bewertungen
  • Problemlösefähigkeiten
  • Zeitvorstellung (Vergangenheit- Gegenwart- Zukunft), Retrospektion und Prospektion

Im emotionalen Erfahrungsgedächtnis sind alle Erfahrungen gespeichert, die ein Mensch im Lauf seines Lebens gemacht hat, und zwar die Erfahrung und die dabei erlebte Emotion. Diese beiden werden immer gemeinsam abgerufen.

Das emotionale Erfahrungsgedächtnis kennt genau zwei Bewertungskriterien:

  • gut gewesen: wiederholen – schlecht gewesen: lassen. Dabei handelt es sich um ein Urteil nur für die Person, also: gut oder schlecht für mich, nicht um eine ethische Bewertung (die wird im Neocortex vorgenommen).
  • Das emotionale Erfahrungsgedächtnis ist assoziativ, die Erinnerung der Erfahrung kann durch Geruch, Geschmack, ähnliches Aussehen etc. aktiviert werden.
  • Es kennt nur die Gegenwart
  • Die Sprache des emotionalen Erfahrungsgedächtnisses sind Bilder (Fotos, Gemälde, Zeichnungen etc., aber auch Sprachbilder (Metaphern) und Geschichten.

Das emotionale Erfahrungsgedächtnis spielt beim Zustandekommen von Verhalten eine große Rolle. Die Energie und Motivation zur Zielerreichung bei einer Verhaltensänderung kommt wesentlich aus dem Erfahrungsgedächtnis.

Reine Neocortex-Ziele haben häufig nur geringe Chancen auf Verwirklichung. Zudem ist die Rückmeldung des emotionalen Erfahrungsgedächtnisses wesentlich schneller und stärker als die des Neocortex (0,2 zu 0,9 sec).

Chancen auf eine Verhaltensänderung und Zielerreichung gibt es nur dann, wenn beide Systeme synchronisiert sind, das heißt, dasselbe wollen.

Dem müssen wir im Coaching Rechnung tragen, indem wir mit beiden Systemen arbeiten, nicht nur mit dem Neocortex (über verbale Sprache). Das emotionale Erfahrungsgedächtnis wird durch Methoden einbezogen, die mit dem Körper arbeiten (z.B. Positionswechsel, Skalenübungen unter Einsatz des Körpers etc.)

Eine Methode, die den „Kommentar“ des emotionalen Erfahrungsgedächtnisses sichtbar macht, ist der somatische Marker.

Der somatische Marker nach Antonio Damasio

Der somatische Marker misst den Affekt und wird deshalb auch als Affektbilanz bezeichnet. Der Affekt ist eine Vorstufe des Gefühls, eine unmittelbare, immer körperlich verortete Reaktion auf einen Sachverhalt oder eine Fragestellung (Herzklopfen, der Hals wird eng, Schmetterlinge im Bauch etc.).

Er besteht aus zwei getrennten Skalen, eine für den positiven Affekt und eine für den negativen Affekt. Für jede dieser Skalen wird eine Einschätzung zwischen 0 und 100 getroffen. Die beiden Skalen müssen nicht zusammen 100 ergeben, sondern auf jeder Skala wird zwischen 0 und 100 eingeschätzt.

Ablauf Affektbilanz:

Vorbereitung, Gefühl sprechen lassen, spontane Einstufung > erst negatives Gefühl, dann positives Gefühl, Analyse des Bildes, Handlungstendenzen schaffen: Verhaltenssteuerung

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